Der Volkstrauertages am 14.11. ist für den SPD Ortsverein Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach auch Anlass zum Nachdenken

Veröffentlicht am 15.11.2021 in Aktuelles

Der Volkstrauertag am 14. November 2021 stand im Zeichen der Erinnerung an den besonders grausamen Angriffs- und Vernichtungskrieg in Ost- und Südosteuropa, der vor 80 Jahren mit der Besetzung von Jugoslawien und Griechenland sowie dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion einsetzte.

Dabei soll an die Soldaten, die zivilen Kriegsopfer, die Opfer von Massakern und Genoziden erinnert werden. Wir denken an diesen Tagen auch an die persönlichen Schicksale in den heute wieder aufflackernden Kämpfen um Staatsinteressen und gewaltsamen Expansionsbestrebungen mit verheerenden Folgen für die betroffene Bevölkerung. Zu Flucht und Vertreibung gesellen sich neuerdings perfide Methoden zum Einsatz von Flüchtlingen zur Destabilisierung der EU. Der Volkstrauertag sollte auch Anlass dazu sein, etwas gründlicher über die Erinnerungskultur nachzudenken, als dies an einem jährlich sich wiederholenden Gedenktag vielleicht üblich ist. So wichtig die Erinnerung und auch die persönliche Trauer ist, die Rituale der Gedenktage erreichen viele Menschen, insbesondere Jüngere, schon lange nicht mehr. An neuen Formen der Vermittlung muss daher (weiter) gearbeitet werden, so beispielsweise in Schulen. Anstelle von authentischen Berichten von Zeitzeugen, die aus Altersgründen kaum mehr verfügbar sind, treten immer mehr Videointerviews oder andere digitale Kommunikationsformen, ob sie die Lücke füllen können, ist jedoch nicht einfach zu bewerten. Als besonders wichtig erachten wir Konzepte, wie sie in unserer unmittelbaren Umgebung mit dem Projekt Lernort Kislau entwickelt werden. Das ehemalige KZ Kislau soll zu einem mobilen Geschichtslabor werden, so das Vorhaben des Vereins „Lernort Zivilcourage & Widerstand“. Erinnerung an Gewaltherrschaft soll übergehen in Lernprozesse, so die uns überzeugende Idee des Lernorts Kislau.

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Zu diesem Lernprozess gehört auch mehr Aufmerksamkeit zu richten auf die Bedrohungs- und Zerfallsprozesse demokratischer Ordnungen. Sie zu verstehen ermöglicht es ihnen zu entgegnen und sie zukünftig besser abzuwehren, was neben der persönlichen Trauer um die Toten eigentlich der Sinn und Zweck von Gedenktagen an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft sein sollte.

Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Bedrohung gesellschaftlicher Errungenschaften und Freiheiten ist ein adäquates Verständnis von Meinungsfreiheit, Pluralismus und Demokratie. Nach langen und mitunter aufreibenden öffentlichen Auseinandersetzungen wurde beispielsweise im Zusammenhang mit der Gründung der Weimarer Republik 1919 das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt, übrigens maßgeblich durch die SPD. Gleichermaßen lebhaft gestaltete sich die Diskussion beispielsweise um die Anerkennung der Ostgrenze zu Polen („Oder-Neiße-Grenze“) durch den Warschauer Vertrag 1970. Sie war eine Voraussetzung für einen friedlichen Umgang mit den ehemals kriegerisch überfallenen Staaten in Ost- und Südosteuropa. Willy Brandt sagte in seiner Regierungserklärung 1969 dazu: „Wir wollen ein Volk der guten NACHBARN sein und werden im Inneren und nach außen.“ Die teils massive Ablehnung, die ihm damals (von Seiten der CDU/CSU) entgegenschlug, wich erst allmählich einem gesellschaftlichen Konsens. Er war eine wichtige Grundlage für die Aussöhnung mit dem Osten und dem späteren friedlichen Wandel zugunsten eines geeinten Deutschlands.

Ein anderes Beispiel für einen nach langer öffentlicher Auseinandersetzung getroffenen Einigung ist die Abschaffung der Strafbarkeit der Homosexualität (ehemals § 175 StGB), in mehren Stufen in den 1970er Jahren. Diese Einigungen sind nach langer, teils turbulenter öffentlicher Auseinandersetzung bzw. Meinungsbildung getroffen worden und zählen heute zu allgemein anerkannten Grundlagen unserer Gesellschaft. Erst die gesellschaftliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensformen eröffnete für viele allmählich die Chance einer lebenswerten und gleichberechtigten Existenz. Der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung konnte zu diesem Thema in einem gewissen Sinn abgeschlossen werden, es fand eine Befriedung der ehemaligen Kontrahenten statt und die Resultate der Einigung gingen über in zivilisatorische Grundlagen unserer Gesellschaft. Sie könnten folglich nicht unter Berufung auf die Meinungsfreiheit einfach wieder in Frage gestellt werden. Erinnerungskultur ist in diesem Sinne auch ein Erinnern an Errungenschaften, die es zu sichern gilt.

Derartige Einigungen konnten zur Abschaffung der Todesstrafe, der körperlichen Züchtigung, der Vergewaltigung in der Ehe und vieler weiterer Themen getroffen werden. Erinnert sei auch daran, dass eine der grundlegendsten Errungenschaften, die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte und mit ihr u.a. der Anspruch auf Gleichrangigkeit aller Menschen Basis allen rechtsstaatlichen Handelns ist. Diese Errungenschaften könnten daher nicht umstandslos im Namen des Pluralismus oder der Meinungsfreiheit wieder Gegenstand von öffentlichen Debatten werden, so beispielsweise bei Fragen des Umgangs mit Zugewanderten bzw. Flüchtlingen. Mit anderen Worten: Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass alle Äußerungen den gleichen Anspruch auf Geltung haben können. Am Volkstrauertag sollte auch darauf hingewiesen werden, dass es Abschichtungen zwischen Geltungsansprüchen geben muss, andernfalls zerfällt eine demokratische Ordnung, wie dies in Deutschland bereits in der Weimarer Republik bitter zu erfahren war.

Die deutsche Erinnerungskultur sollte daher auch dazu beitragen, dass erinnert wird an das mühsame Erringen von Demokratie und an die Gleichheitsansprüche aller Menschen im Zuge der letzten zweihundert Jahre. Neben der persönlichen Trauer um die Opfer sollte daher auch erinnert werden an die voraussetzungsvollen Grundlagen unserer Demokratie: Die Anerkennung und der Einbezug aller Bevölkerungsgruppen in politische Entscheidungen, die Akzeptanz der demokratischen Spielregeln und schließlich die Bereitschaft und der Wille sich zu erinnern und dadurch zu lernen. Die deutsche Sozialdemokratie hat sich seit ihrer Gründung für diese Grundlagen stark gemacht und sie werden weiter im Zentrum ihres politischen Handelns stehen.

Für die SPD: Michael Mangold

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