Die SPD Trotzt dem Terror der Nazis

Veröffentlicht am 20.03.2023 in Historisches

VOR 90 JAHREN Die SPD-Fraktion stimmt 1933 im Reichstag als einzige Partei gegen das sogenannte Ermächtigungsgesetz, mit dem die Nationalsozialisten ihre Diktatur errichten

Von Thomas Horsmann | aus dem Vorwärts 1/2023

In der Berliner Krolloper, dem Ausweichquartier nach dem Reichstagsbrand, eröffnet Parlamentspräsident Hermann Göring um 18.15 Uhr die Sitzung. Hinter dem Podium des Reichstagspräsidiums hängt eine riesige Hakenkreuzfahne. In Türen und Gängen drängen sich bewaffnete SA-und SS-Mannschaften, die die Krolloper bewachen und die SPD-Abgeordneten einschüchtern sollen.

Es ist Donnerstag, der 23. März 1933. Auf der Tagesordnung steht die Beratung über das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das sogenannte Ermächtigungsgesetz. Mit ihm soll sich das Parlament selbst entmachten, die Legislative auf die Reichsregierung übertragen und die Gewaltenteilung aufheben. Die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit ist sicher, denn die Kommunisten sind ausgeschaltet und außer den Sozialdemokraten wagt niemand mehr, Widerspruch zu erheben.

Otto Wels gibt Hitler Contra
Erster Redner ist der SPD-Vorsitzende Otto Wels, der im Namen der gesamten SPD-Fraktion das Gesetz klar ablehnt: „Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll.“ Er fügt unter Schmährufen der Nationalsozialisten hinzu: „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“ Und weiter: „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.“ Schließlich fällt der legendäre Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Ein Blick zurück. Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Bereits am 1. Februar wird der Reichstag aufgelöst. Gleichzeitig setzt der nationalsozialistische Terror ein, der den Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5. März 1933 prägt. Doch es gelingt der NSDAP nicht, die angestrebte absolute Mehrheit zu erreichen. Mit 43,9 Prozent der Stimmen wird sie aber erneut stärkste Fraktion und erhält 288 Sitze, die SPD erreicht mit 18,3 Prozent 120 Sitze und ist zweitstärkste Kraft.

Der Druck auf die SPD-Abgeordneten wird immer stärker. Auf dem Weg in die Krolloper zur Parlamentssitzung müssen sie sich durch eine grölende Menge Nationalsozialisten drängen, die sie beschimpfen. Sie werden gewarnt mit „Nein“ zu stimmen, da Verfolgung und Vertreibung drohten.

Die SPD wird verfolgt
An der Sitzung nehmen schließlich 93 von 120 Abgeordneten der SPD teil. Die Abwesenden haben gute Gründe, nicht dabei zu sein. Sie sind inhaftiert oder liegen nach Angriffen im Krankenhaus. Genossen jüdischer Abstammung haben sich nach Absprache mit dem Fraktionsvorstand krankgemeldet, andere sind schon ins Ausland geflüchtet. Carl Severing, ehemaliger Reichsinnenminister, gehört zu den Inhaftierten. Er kommt kurz vor der Abstimmung frei, eilt ins Parlament und trifft gerade noch rechtzeitig ein, um die 94. Nein-Stimme gegen das Ermächtigungsgesetz abzugeben.

Mit 444 gegen 94 Stimmen der SPD nimmt der Reichstag das Ermächtigungsgesetz an. Die dritte und letzte Sitzung des Reichstags als Mehrparteienparlament findet am 17. Mai 1933 statt. Kurz darauf wird er aufgelöst, Parteien werden verboten, die Demokratie ist beseitigt. Die SPD-Führung flieht nach Prag. Sie hofft auf baldige Rückkehr. Doch das sollte noch 12 lange Jahre dauern.

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