„Global denken – in Mühlhausen handeln“

Veröffentlicht am 02.06.2021 in Gemeinderatsfraktion

Mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung wird seit den 1980er Jahren verstärkt die Abkehr vom alten Wachstumsmodell eingefordert und die Durchsetzung auch von sozialen Aspekten berücksichtigt. Dabei sind die erforderlichen Veränderungen in besonderem Maße auf das Handeln vor Ort gerichtet: „Global denken – lokal handeln“, wie es seit der Agenda 21 prägnant heißt, bedeutet, alle Möglichkeiten auch in Mühlhausen zu nutzen, um die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen aufzuhalten. Die vom Gemeinderat beschlossene Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Feuerwehr und der Dreschhalle in Tairnbach sowie dem Gemeindezentrum in Rettigheim sind hierzu wichtige Schritte. Auch die konkrete Umsetzung ist zu begrüßen. So wird ein Teil der Anlage von der Betreiberfirma selbst genutzt und ein anderer Teil geht in das Eigentum der Gemeinde als Abgeltung der Dachpacht über und liefert kostenlosen Strom für das Gemeindezentrum. Die SPD-Fraktion begrüßt diese Beiträge zum Klimaschutz und regt zu weiteren Modellen einer nachhaltigen Kommunalpolitik an. Dabei sollte die Gelegenheit auch genutzt werden, den im Alltag bereits sehr verwässerten Begriff der „Nachhaltigkeit“ ein wenig zu schärfen.
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Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit kommt im englischen Begriff „sustainable“ am deutlichsten zum Ausdruck: Die Nutzung von Ressourcen soll immer gleichzeitig berücksichtigen, dass ihre Regeneration erforderlich ist, um langfristig Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei wurde dieses Prinzip in Deutschland bereits im frühen 18. Jahrhundert von Carl von Carlowitz in der Forstwirtschaft erkannt: Es soll nur so viel Holz geschlagen werden, wie auch zugleich wieder im Wald nachwächst. Ein derartiges Grundverständnis der Ressourcennutzung findet sich auch schon bei Naturvölkern oder den Benediktinern (Ulrich Grober 2010), es konnte sich aber nicht als allgemeingeltende Nutzungsvorstellung durchsetzen. Dabei traten immer wieder Natur- und Umweltschutzbewegungen auf, so beispielsweise als 1895 der „Touristenverein Die Naturfreunde" vom Lehrer Georg Schmiedl gegründet wurde. Die von Beginn an eng mit der SPD verbundene Vereinigung, strebte nach einer Verknüpfung von Freizeit, Bildung, Sport und Naturschutz, dies bereits vor dem ersten Weltkrieg auf internationaler Ebene.

Erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg und einer anschließenden epochalen Wachstumsphase führte das Modell einer ungebremsten wirtschaftlichen Entwicklung zu unübersehbaren Problemen. In den westlichen Industrieländern fanden nun allmählich regenerative Nutzungsprinzipien Eingang in politische Programme. Eine wichtige Rolle spielten bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt wissenschaftliche Publikationen, insbesondere der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome (Meadows et al. 1973), der eine intensive öffentliche Debatte initiierte. Es wurde dabei deutlich, dass auch der bis dahin geltenden Vorstellung einer „nachholenden Entwicklung“ der Länder des globalen Südens den Boden entzogen wurde. Für eine Art der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika zu werben, die man in den westlichen Industrieländern als Ursache der globalen Probleme erkannt hat, war schließlich nicht (mehr) möglich. Daher entstand ein umfangreicher Klärungsbedarf, auch der klassische Begriff der Nachhaltigkeit musste beispielsweise um generelle Fragen der Gerechtigkeit und konkrete Fragen der Armutsbekämpfung erweitert werden.

Im Zusammenhang mit der 1987 von den Vereinten Nationen eingesetzten „Brundlandtkommission“ wurde diese Erweiterung unter dem Begriff „sustainable development“ zum Ausdruck gebracht. Der Sozialdemokrat Volker Hauff war seinerzeit Repräsentant der Bundesregierung; die deutsche Fassung des UN-Berichts erfolgte daher auch unter seinem Namen.

Die unter der Leitung der früheren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland erarbeiteten Ergebnisse dieser historisch wegweisenden Kommission können sich in drei Kernaussagen eingeordnet werden: Zur Lösung der Probleme ist grundsätzlich eine globale Perspektive erforderlich; Umwelt- und Entwicklungsfragen bilden eine Einheit und das Handeln muss sich auf eine intragenerative und intergenerative Gerechtigkeit richten. Gerechtigkeit richtet sich danach auf die Verteilung innerhalb einer Generation sowie auf die Chancen der Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen.

Spätestens seit der Verabschiedung des Kommissionsberichts sind ökologische und entwicklungspolitische Ziele im Nachhaltigkeitsdiskurs eng verknüpft und bilden in ihrem Zusammenwirken eine auf globaler Ebene verankerte grundsätzliche Kritik am traditionellen Wachstumsmodell. Damit ist jedoch die Lösung – insbesondere vor Ort in den Gemeinden – zahlreicher Zielkonflikte verbunden: Gilt es vorrangig günstigen Wohnraum zu schaffen, Artenschutz zu betreiben, die Flächenversiegelung zu verhindern, erneuerbare Energie zu fördern...? Die miteinander konkurrierenden und manchmal in direktem Konflikt zueinander stehenden Ziele müssen vor Ort unter Einbindung der Öffentlichkeit zu politischen Lösungen führen. Damit sind erhebliche Probleme verbunden, wie in Baden-Württemberg am Beispiel der Windräder und des Vogelschutzes deutlich wird.

Der historischen Brundlandtkommission folgte 1992 die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung („Rio-Konferenz“ oder „Erdgipfel“), die ebenfalls als eine historisch wichtige Einigung zur Integration von Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen gilt. Ein wesentliches Resultat war die von den 178 Teilnehmerstaaten beschlossene „Agenda 21“, aus deren umfangreichen Maßnahmenpaket die „Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21“ hervorzuheben sind.

Seither gilt die Formel „Global denken – lokal handeln“, sie fordert zur Erstellung eigener Konzepte in den Gemeinden auf. Im Rahmen der Folgevereinbarung Agenda 2030, wurde die Thematik der Nachhaltigkeit in 17 Ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) eingeordnet. In der Bundesrepublik Deutschland werden die von den Vereinten Nationen unter dem Titel „Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ verabschiedeten Ziele vom Bundesumweltministerium erläutert. Eine Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wurde im März 2021 verabschiedet. Sind diese Berichte mittlerweile sehr sperrig und weniger leserfreundlich, so kann beispielsweise der Band von Armin Grunwald und Jürgen Kopfmüller mit dem Titel „Nachhaltigkeit“ empfohlen werden, zumal er im Juli in einer 3. und aktualisierten Auflage bei Campus erscheint. Grunwald und Kopfmüller sind übrigens baden-württembergische Wissenschaftler mit Sitz am KIT in Karlsruhe, was zeigt, dass wir über viel Fachkompetenz im Land verfügen. Da in der Gemeinde Mühlhausen auch weiterhin der Themenbereich Nachhaltigkeit auf der Tagesordnung stehen wird, lohnt sich die Lektüre ihrer Arbeit sicher.
Für die SPD: Michael Mangold

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