„Mit 67 noch zu jung für die Rente?“

Veröffentlicht am 13.03.2007 in Veranstaltungen

Letzten Freitagabend lud der SPD-Ortsverein Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach zu einer öffentlichen politischen Veranstaltung in das Nebenzimmer der „Kraichgaustube“ in Mühlhausen ein. Als Referenten konnte man Stefan Rebmann, Mitglied im SPD-Landesvorstand und DGB-Vorsitzender der Region Rhein-Neckar sowie Gisbert Kühner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen Rhein-Neckar, gewinnen. Das Thema der Veranstaltung lautete: „Mit 67 noch zu jung für die Rente?“

Der örtliche SPD-Chef Peter Wirkner leitete die gut besuchte Veranstaltung mit dem provozierenden Satz „Arbeiten wir bis zum Tode?“ ein und überließ die Antwort den beiden Referenten. Stefan Rebmann, gelernter Energieanlagen-Elektroniker bei der BASF und Gewerkschaftler aus Passion, verwies auf die Tatsache, dass der Bundestag am Nachmittag mit den Stimmen der Großen Koalition die Rente mit 67 beschlossen hatte. Was Udo Jürgens mit seinem Schlager „Mit 66 Jahren fängt das Leben erst so richtig an“ einst vor Jahren gesungen hatte, ist nun für diejenigen, die 1964 oder später geboren wurden, bittere Wirklichkeit geworden. Dieser Personenkreis wird künftig die volle Rente in aller Regel erst mit 67 Jahren erhalten. Schon nach den ersten Sätzen des Referenten war klar, dass dieser mit der von der Großen Koalition beschlossenen „Rente ab 67“ nicht einverstanden war. In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass auch die anwesenden SPD-Mitglieder geschlossen mit dem auf Drängen von Müntefering beschlossenen Renteneintrittsalter mit 67 Jahren nicht einverstanden waren. Die Altersgrenze für Schwerbehinderte wurde von 63 auf 65 Jahre angehoben. Vorzeitiges Ausscheiden geht erst ab 62 Jahren statt bisher mit 60. Dafür gibt’s einen Abschlag von 10,8 Prozent. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung steigt 2007 auf 19,9 Prozent und soll bis 2020 20 Prozent nicht übersteigen. Rebmann: „Was heißt Rente mit 67“? Rente mit 67 bedeutet: Die Gesundheit älterer Beschäftigter wird noch stärker strapaziert. Rebmann: „Schon heute erreichen die wenigsten das derzeitige Rentenalter von 65 Jahren.“ Rente mit 67 bedeutet: Zusätzliche Abschläge für alle, die früher ausscheiden – 7,2 Prozent beispielsweise für jene, die mit 65 in Rente gehen. Für viele wäre damit Altersarmut programmiert. Rente mit 67 bedeutet: Geringere Beschäftigungschancen für ausgelernte Auszubildende und für Erwerbslose, also mehr Arbeitslose. Rente mit 67 bedeutet: Arbeitgeber sparen Beiträge, die sie in Zukunft möglicherweise zahlen müssten, wenn es bei der Rente mit 65 bliebe. Dagegen müssen die Arbeitnehmer das, was sie an Beiträgen sparen, in zusätzliche Altersvorsorge investieren, die sie allein bezahlen. Aufhorchen ließ die Anwesenden Rebmanns Aussage, dass in 25 Jahren jeder zweite Rentner eine Rente in Höhe von Hartz IV bekommen wird. Enttäuscht waren die Genossen in Mühlhausen darüber, dass Vizekanzler und Arbeits-und Sozialminister Franz Müntefering für die „Rente ab 67“ die Rolle des Einpeitschers übernahm. Von der Neuregelung sind lediglich diejenigen ausgeschlossen, welche 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben, was heute nur noch auf einen sehr kleinen Prozentsatz der abhängigen Beschäftigten zutrifft. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen bedeutet diese Änderung in Wirklichkeit nichts anderes als empfindliche Rentenkürzungen. In den letzten Jahren waren in zahlreichen Branchen die über 50-jährigen Arbeiter als erste entlassen worden. Rebmann: „Weniger als die Hälfte aller Betriebe beschäftigen noch Menschen über 50 Jahre. Von den 16 Millionen der 50- bis 65-jährigen sind nur noch sechs Millionen oder 37,5 Prozent erwerbstätig.“ Alle, die wegen Arbeitslosigkeit früher in Rente gehen, müssen Abschläge hinnehmen. Nach der heute geltenden Regelung sind das 0,3 Prozent pro Monat oder 3,6 Prozent pro Jahr, das weniger gearbeitet wird. Im Jahr 2003 (dem letzten, für das Zahlen vorliegen) gingen 300.000 Menschen frühzeitig in Rente, das sind ein Drittel aller Rentenzugänge. Sie verzichten im Schnitt für den Rest ihres Lebens auf zehn Prozent ihrer Altersrente. Und es werden immer mehr. Die Rentenzahlungen können dabei frühestens fünf Jahre vor dem Rentenalter (also mit einer 18-prozentigen Kürzung) bezogen werden – in Zukunft also frühestens mit 62 Jahren statt mit bisher 60 Jahren. Dies bedeutet nicht nur Rentenkürzungen für mehr zukünftige Rentner, sondern auch, dass zahlreiche Arbeitslose über 50 Jahre länger auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Aufgrund der Hartz-IV-Regelung erhalten Arbeitslose nach ihrem Jobverlust nur noch zwölf Monate lang „Arbeitslosengeld I“, das von ihrem letzten Einkommen abhängig ist. Anschließend gibt es „Arbeitslosengeld II“, ein staatliches Almosen, das erst ausgezahlt wird, wenn zuvor alle Ersparnisse der Arbeitslosen aufgebraucht ist. Die zu erwartende Altersarmut wird dabei vor allem unter Frauen überdurchschnittlich ansteigen. Sie erhalten schon jetzt niedrigere Renten, da sie in der Regel wegen Kindererziehung und mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten für längere Zeit nicht arbeiten können und im Schnitt fast 30 Prozent weniger verdienen. In Westdeutschland erhalten Frauen nur etwa halb so hohe Renten wie Männer und in Ostdeutschland liegen die Frauenrenten ungefähr ein Drittel unter denen der Männer. Mit der Heraufsetzung des Rentenalters erfüllte die Große Koalition eine Forderung der Unternehmensverbände. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, sicherte Münteferings Pläne –entgegen der SPD-Basis- die volle Unterstützung der Wirtschaft zu, verlangte jedoch ein rascheres Tempo. Gisbert Kühner: „Die Lebenserwartung der 60-jährigen wächst derzeit jedes Jahr um zwei Monate.“ Deshalb, so Hundt, ist die Anhebung des Rentenalters um nur einen Monat pro Jahr zu langsam. Am liebsten würde er die Rentenbeiträge den Beschäftigten selbst aufbürden. Die Medien steuern ihren Teil zu dieser Kampagne bei. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen und die Innovationskraft der „Leistungsträger“ nicht zu gefährden, heißt es in den Wirtschaftsspalten der Zeitungen. Diese überall nachgeplapperte Behauptung ist nach Meinung der beiden Referenten eine kaum verhüllte Aufforderung zur Bereicherung der Reichen –sprich: Industriebossen! Begründet wird die Notwendigkeit der Heraufsetzung des Rentenalters vor allem mit der demografischen Entwicklung und der angeblichen „Generationsgerechtigkeit“. Ein „Nachhaltigkeitsfaktor“ sei notwendig, um die Renten zu sichern. Rebmann: „Dieser beschönigende Ausdruck bedeutet nichts anderes, als dass die Renten dauerhaft gesenkt werden sollen.“ Die beiden Referenten bedauerten, dass von den Jugendlichen, die von der neuen Rentenregelung unmittelbar betroffen sind, keinerlei Reaktion kommt .Kein Wunder, liegt deren Renteneintritt doch noch in so weiter Ferne. Die jetzige ältere Generation ist von der „Rente mit 67“ nur am Rande betroffen und reagiert ebenfalls nicht. In der anschließenden Diskussion fielen knallharte Worte. All’ diejenigen SPD-Abgeordneten, welche die „Rente mit 67“ brav abgenickt haben, taten dies ohne Zustimmung der Basis. Parteibosse wie Müntefering hätten längst die Verbindungen zur Basis verloren. Die SPD-Funktionäre Rebmann und Kühner: „Der Kampf gegen die „Rente ab 67“ geht heute los und dauert bis zum Jahre 2029!“ Deutliche Worte kamen auch aus dem Kreise der Anwesenden. So sagte ein gestandener SPD-Gewerkschaftler aus Tairnbach unverblümt, dass er die Politik der SPD-Oberen für falsch halte. Zu seiner Zeit wären Zehntausende auf die Straßen gegangen, während sich heute nur noch eine handvoll Gewerkschaftler auf die Straße wagen würden. Peter Wirkner sagte offen, dass er nicht nur ein Gegner von Hartz-IV wäre, sondern auch ein Gegner gegen die Rente ab 67. Er könne nicht verstehen, dass die Aktienwerte steigen, wenn die Leute aus der Firma geschmissen würden. Ein anderer Diskussionsteilnehmer meinte, dass die Geringqualifizierten die Verlierer der Zukunft sein werden. Harte Worte musste sich auch der Gewerkschaftler Stefan Rebmann anhören. Könnt ihr in der Gewerkschaft überhaupt noch etwas bewirken? Kriegt ihr überhaupt noch Leute auf die Straße? Habt ihr eigentlich noch einen Bezug zur Basis oder denkt ihr nur an euere Karrieren? Dazu Rebmann: „Ich will zwar in den Bundestag, lasse mich von den SPD-Oberen aber nicht verbiegen.“ Ehrliche Worte, welche die Genossen mit Beifall honorierten. Rebmann: „Ich vergesse nicht, wo ich herkomme!“ Man hätte an diesem Abend noch stundenlang weiter diskutieren können. Weil aber der Zeiger der Uhr schon weit fortgeschritten war, schloss Peter Wirkner die Versammlung und lud alle Anwesenden zu Feierstunde anlässlich des über 30-jährigen Bestehens des SPD-Ortsvereins Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach am kommenden Samstag um 17 Uhr in das Bürgerhaus in Rettigheim ein.
Reinhold Stegmeier

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