Fehlende Distanz zum rechten Spektrum?

Veröffentlicht am 19.03.2007 in Presseecho

Kongress des RCDS in Marburg

Von Anke Petermann, Deutschlandfunk
Zum 60-jährigen Bestehen des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) fand am Wochenende der Jahreskongress im Gründungsort Marburg statt. Ein Thema: Wie setzt sich der RCDS erkennbar von rechten Parteien und Burschenschaften ab? Denn eine zu große Nähe hat in der Vergangenheit des öfteren für Zündstoff gesorgt.

Auch wenn das nicht groß an die Öffentlichkeit getragen wurde - innerhalb der Gruppe Gießen, in RCDS-Internetforen und im RCDS- Bundesausschuss seien die Vorfälle um den Fall eines Neonazis im Gießener Gruppenvorstand ausführlich thematisiert worden, sagt der neue Bundesvorsitzende Matthias Kutsch. In Marburg habe es lediglich eine kurze intensive Aussprache über eine Änderung der Bundessatzung als Konsequenz aus dem Vorfall gegeben. Der neue Gießener RCDS-Vorsitzende war dabei allerdings nicht anwesend. RCDS-Chef Kutsch und Christian Rickes von der Gruppe Gießen bilanzieren:

Ich denke, man hätte in Gießen früher, schneller, konsequenter handeln müssen, das war ein Versäumnis der Gruppe Gießen. Man muss der Gruppe Gießen definitiv zugute gehalten, dass sie in diesem Umgang nicht geübt ist. Das sind ganz normale Studenten, die sich normalerweise nichts Böses bei den Menschen denken, deshalb mache ich das den Mitgliedern der Gruppe Gießen nicht zum Vorwurf. Man muss aber trotzdem versuchen, das in Zukunft schneller zu handhaben, und deshalb hat der RCDS Hessen auch entsprechende Maßnahmen erlassen, zum Beispiel ein Seminar angeboten, um zu zeigen wie man mit einem Konflikt umgehen und in diesem Falle handeln muss.

Von Seiten der Gruppe Gießen haben wir alles Erdenkliche getan, haben einen neuen Vorstand gewählt, einen Neuanfang gewagt. Ich denke wir sind auf dem richtigen Weg, aber leider wird es eine absolute Sicherheit als Schutz gegen so etwas nie geben.

Dass der Gießener RCDS nur aus Blauäugigkeit in den Skandal gerutscht war, hatten zuvor sowohl Mitglieder des Asta der Uni Gießen als auch der rot-grünen Opposition im hessischen Landtag bezweifelt. Inzwischen hat der RCDS Gießen die gleichzeitige Mitgliedschaft in seiner Organisation und in der NPD-nahen Burschenschaft Dresdensia Rugia verboten. Die RCDS-Gruppen sind autonom, über die Verhältnisse in Marburg und mögliche Unvereinbarkeitsbeschlüsse durch die Mitgliederversammlung, kurz MV, sagt die Vorsitzende Sina Pries,

Es gibt in Marburg zwei ziemlich radikale Burschenschaften, und da sind wir sehr vorsichtig. Wir haben vor, bei unserer nächsten MV das zu machen oder ich glaube wir haben es schon. Ja ich glaube es gibt so etwas schon bei uns, ich weiß es nicht genau.

Dass Neonazis versuchen, Burschenschaften zu unterwandern, hat der RCDS noch nicht als ernsthaftes Problem für die eigene Organisation erkannt, stellt der Gießener SPD-Landtagsabgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel fest. Eine Unterwanderungsgefahr sehe er nicht, bekräftigt der neue RCDS-Bundesvorsitzende. Auch bei den Burschenschaften gebe es politische Pluralität. Zufrieden ist Matthias Kutsch damit, dass die Bundesversammlung am Wochenende die RCDS-Satzung geändert hat, um sich gegen Extremisten nach allen Seiten abzugrenzen. "Verbandsschädigend verhält sich, wer nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht", war bis dato die Formulierung, mit deren Hilfe man Extremisten abschrecken und ausschließen wollte:

Dazu haben wir ergänzt: verbandsschädigend verhält sich auch die oder derjenige, der in vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppen Mitglied ist, offen mit ihnen sympathisiert oder aktiv an von ihnen geförderten Veranstaltungen teilnimmt. Insofern haben wir dass alles noch mal konkretisiert, weiter gefasst, dass wir da schneller effizienter handhaben können, denn unser aller Bestreben ist es, dass extreme Personen nicht im RCDS-Mitglied werden können und wenn sie es geworden sind - denn man kann in die Köpfe nicht hineinschauen - dass man sie dann schnell wieder aus dem RCDS heraus bekommt.

Immerhin hat der RCDS sein Abgrenzungsproblem erkannt, folgert der grüne Landtagsabgeordnete Jürgen Frömmrich aus der Änderung. Ob aber die neue Grenzziehung sinnvoll und in einem Ausschlussverfahren gerichtsfest ist, bezweifelt er. Schließlich könne sich ein Betroffener damit herausreden, dass er nicht wissen könne, ob seine Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet werden. "Eine rein formale, keine inhaltliche Abgrenzung", kritisiert auch der SPD-Mann Schäfer-Gümbel. Der Parteirat der Bundes-SPD hat im vergangenen April beschlossen, dass Sozialdemokraten nicht gleichzeitig Mitglieder einer Burschenschaft sein dürfen, die innerhalb des Dachverbandes "Deutsche Burschenschaft" zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft, kurz BG gehört. Begründung: Die BG sei ein völkischer Kampfverband, ihr Einfluss schlage sich in der völkisch und großdeutsch ausgerichteten Programmatik der Deutschen Burschenschaft nieder. Die Dresdensia Rugia in Gießen gehört zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft und auch die schlagende Verbindung Normannia Heidelberg. Im Heidelberger RCDS gibt es keinen Unvereinbarkeitbeschluss in Sachen Normannia, bei der der Neonazi Mathias Müller war, bevor er RCDS-Mitglied wurde, so der neue Bundeschef Matthias Kutsch:

Ich war ein Jahr Gruppenvorsitzender in Heidelberg. Mir ist die Burschenschaft, in der er Mitglied war, bekannt. Allerdings kann man diese Burschenschaft nicht unter ein Pauschalurteil stellen, denn ich kenne einzelne Mitglieder dieser Burschenschaft, und da sind von Sozialdemokraten bis hin zu Christdemokraten und Liberalen alle dabei. Deshalb kann man diese Burschenschaft nicht unter die Überschrift stellen, sie sei rechtsextrem.

Als Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft bekennt sich auch die Normannia Heidelberg zum "volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff". Uns ist nicht bekannt und nicht vorstellbar, dass Sozialdemokraten Mitglieder in der Normannia sind, kommentiert Alexander Lucas, Regionalgeschäftsführer der SPD Heidelberg. Wenn es so wäre, ergänzt er, wäre das ein Grund für ein Parteiausschlussverfahren aufgrund des jüngsten Unvereinbarkeitsbeschlusses in Sachen Burschenschaftlicher Gemeinschaft. Ein inhaltlicher Beschluss, wie ihn sich die mit dem Gießener Skandal befassten Mitglieder der rot-grünen Opposition in Hessen auch für den RCDS als Konsequenz und als klare nachvollziehbare Grenzziehung gegen Rechtaußen gewünscht hätten.

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